Dieser Beitrag ist Teil unserer Serie über digitale Medien und Kinder unter 3 Jahren, die in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift Infant Behavior and Development veröffentlicht wurde. Die vorgestellte Forschung wurde in einer Sonderausgabe veröffentlicht, die sich damit befasste, wie junge Kinder mit Technologie umgehen und wie Eltern die Mediennutzung fördern können, um positive Entwicklung zu fördern.
Wichtige Erkenntnisse für Betreuer:
– Selbstregulation, also die Fähigkeit, Verhalten und Emotionen zu überwachen und zu kontrollieren, ist ein entscheidender Aspekt der frühkindlichen Entwicklung.
– Fernsehkonsum ist mit geringeren Levels an Selbstregulation oder höheren Levels an Dysregulation bei kleinen Kindern verbunden, vor allem in Bezug auf Schwierigkeiten bei der Aufmerksamkeit und Selbstberuhigung.
– Die spezifische Auswirkung von Fernsehkonsum auf Dysregulation kann kulturell unterschiedlich sein und möglicherweise von verschiedenen kulturellen oder familiären Praktiken im Umgang mit Fernseherlebnissen abhängen.
– Eltern und Betreuer sollten den Fernsehkonsum für kleine Kinder begrenzen, aber auch darüber nachdenken, wie sie ihrem Kind helfen können, hochwertige Programme zu verstehen und sich damit zu beschäftigen.
Was sollten Eltern über die Risiken des Fernsehkonsums für kleine Kinder wissen?
Der Fernseh- und Medienkonsum wird häufig diskutiert und oft abgelehnt, aber viele Eltern und Betreuer fragen sich vielleicht: „Welche Schäden entstehen dabei?“ und „Ist das Fernsehen generell schlecht?“ Die American Academy of Pediatrics (AAP) empfiehlt, digitale Medien für Kinder unter 18 Monaten zu vermeiden, mit Ausnahme von Video-Chats. Eltern, die digitale Medien zwischen 18 und 24 Monaten einführen möchten, sollten laut AAP „hochwertige Programme“ auswählen.
Allerdings werden Kinder in unserer digitalen Zeit immer früher verschiedensten Medien ausgesetzt. Fernsehen und andere elektronische Geräte können als „elektronische Babysitter“ dienen, insbesondere für Säuglinge und kleine Kinder mit „schwierigem“ Temperament.
Außerdem richtet sich immer mehr Medienangebot an die jüngsten Altersgruppen. Ein weiterer Aspekt, der berücksichtigt werden sollte, sind die Feinheiten digitaler Medien wie verschiedene Arten von Programmen und Geräten (z.B. Fernseher, Tablet, Mobiltelefon). Worauf sollten Eltern und Betreuer konkret achten?
Fernsehkonsum und Entwicklung der Selbstregulation bei kleinen Kindern
Wenn es um die Auswirkungen frühzeitiger Fernsehbelastung geht, sind die Auswirkungen auf die Reaktivität und Selbstregulation beachtenswert. Reaktivität beschreibt die Intensität unserer Reaktion auf die Welt, z.B. wie stark wir Erregung oder Angst empfinden oder wie stark wir auf sensorische Informationen (Sehen und Hören) reagieren. Regulation bezeichnet die Prozesse des Überwachens und Verwaltens der Reaktivität auf die Welt und unsere inneren Erfahrungen. Dazu gehört, wie wir Emotionen ausdrücken, auf was wir unsere Aufmerksamkeit richten und wie wir über unser Denken nachdenken und es verändern (siehe Rothbart et al., 2000, für eine Übersicht).
In den frühen Monaten sind wir auf andere angewiesen, um uns zu regulieren, z.B. indem sie uns beruhigen. Mit zunehmendem Alter gewinnen wir jedoch mehr Unabhängigkeit und die Fähigkeit, uns selbst zu regulieren. Selbstregulation hilft Kindern beim Lernen, beim Umgang mit anderen und beim Erwerb von Unabhängigkeit. Wenn die Reaktivität (z.B. Ärger/Frust oder Ängstlichkeit) erhöht ist und die Regulation Fähigkeiten niedrig sind, kann es zu Dysregulation kommen.
Studieren der Zusammenhänge zwischen dem Fernsehkonsum von Kindern und Dysregulation in verschiedenen Kulturen
Wir haben eine Studie durchgeführt, um herauszufinden, ob der Fernsehkonsum zur Störung der Regulationsfähigkeiten bei kleinen Kindern beiträgt. Die frühe Kindheit ist eine entscheidende Phase für die Entwicklung der Selbstregulation, und der Fernsehkonsum wird angenommen, dass er damit zusammenhängende Prozesse stört. In einigen Studien wurde häufiger Fernsehkonsum während der Kleinkindphase mit einem erhöhten Risiko für Sprachverzögerungen, Aufmerksamkeitsschwierigkeiten und Störungen der Entwicklung exekutiver Funktionen (z.B. Arbeitsgedächtnis, Hemmung, Problemlösungsfähigkeiten) in Verbindung gebracht.
Wir haben auch untersucht, ob die Zusammenhänge zwischen frühkindlichem Fernsehkonsum und Regulation in verschiedenen Kulturen unterschiedlich sind. Während Kinder auf der ganzen Welt in der frühen Kindheit mit Fernsehen konfrontiert werden, sind die damit verbundenen Risiken möglicherweise nicht universell. Unterschiedliche Sozialisation und kulturelle Aspekte der Umwelt können zu Unterschieden in der Entwicklung von Reaktivität und Regulation führen.
Unsere Forschung legt nahe, dass höhere Grade an Dysregulation mit einem längeren Fernsehkonsum bei kleinen Kindern verbunden sind, wobei Beruhigungs- und Aufmerksamkeitsprobleme am häufigsten betroffen sind.
Zum Beispiel haben mehrere kulturübergreifende Studien Unterschiede in der inhibitorischen Kontrolle (das Steuern von Impulsen), der Beruhigbarkeit (die Fähigkeit, sich zu beruhigen oder sich von Stress zu erholen), der Schmusefreudigkeit (Bereitschaft, gekuschelt zu werden), der Aufmerksamkeit (die Fähigkeit, sich zu konzentrieren und umzulenken), dem Vergnügen bei ruhigen Aktivitäten, der Aktivität (positive Emotionen) und der negativen Emotionen (Tendenz, negative Emotionen zu zeigen) bei Kindern gefunden.
Angesichts dieser kulturübergreifenden Unterschiede in der Regulation ist es wichtig zu verstehen, wie die Variabilität des Fernsehkonsums in verschiedenen Kulturen zu Verhaltens- und emotionalen Schwierigkeiten führt. Wir haben eine internationale Untersuchung des Fernsehkonsums bei Kleinkindern (ungefähr 15 Monate bis 41 Monate alt) in 14 Ländern durchgeführt: Belgien, Brasilien, Chile, China, Finnland, Italien, Mexiko, Niederlande, Rumänien, Russland, Türkei, Südkorea, Spanien und den USA.
Unter Verwendung verschiedener Maßnahmen baten wir Eltern, Fragen zu den täglichen Aktivitäten ihrer Kinder zu beantworten, einschließlich der Zeit, die ihr Kind täglich mit Fernsehen verbringt. Wir baten die Eltern auch, Fragen zu temperamentbezogenen Eigenschaften ihres Kindes zu beantworten, einschließlich Reaktivität und Regulation.
Kulturübergreifende Zusammenhänge zwischen Fernsehkonsum, Aufmerksamkeitsproblemen und Beruhigbarkeit
Insgesamt stellten wir fest, dass eine längere Zeit vor dem Fernseher mit einer höheren Dysregulation verbunden war. Das heißt, je mehr Zeit Kleinkinder vor dem Fernseher verbrachten, desto niedriger waren die Bewertungen der Eltern in Bezug auf die Regulation.
Die Zusammenhänge zwischen Fernsehkonsum und sowohl Aufmerksamkeitsproblemen (Schwierigkeiten beim Umschalten oder Aufrechterhalten der Aufmerksamkeit) als auch Beruhigbarkeit (wie leicht das Kind sich selbst beruhigen oder von anderen beruhigen lassen konnte) variierten jedoch signifikant zwischen den Kulturen. Zum Beispiel war die Zeit, die spanische Kleinkinder mit Fernsehen verbrachten, weniger stark mit Dysregulation verbunden als bei Kindern aus anderen Kulturen, während die Zeit, die niederländische Kinder mit Fernsehen verbrachten, stärker mit Beruhigbarkeits- und Aufmerksamkeitsproblemen verbunden war.
Obwohl unsere Studie nicht die Ursachen dieser Unterschiede untersucht hat, können manche Kulturen Schutzmechanismen bieten, die negative Auswirkungen des Fernsehkonsums abmildern. Zum Beispiel schauen viele spanische Familien gemeinsam Fernsehen und Fernsehbezogene Aktivitäten sind Teil der gemeinsamen Familienzeit, anstatt sich auf den Fernseher als „elektronischen Babysitter“ zu verlassen.
Diese Praxis könnte von dem zentralen Thema des „familismo“ herrühren, das in hispanischen Kulturen traditionell geschätzt wird und starke Bindung, Loyalität, Gegenseitigkeit und Solidarität innerhalb der Familie umfasst (Diaz-Loving & Draguns, 1999). Forscher sollten dieses Konzept genauer untersuchen sowie andere mögliche Schutzwirkungen.
Wie man die negativen Auswirkungen des Fernsehkonsums für kleine Kinder verringern kann
Unsere Forschung legt nahe, dass höhere Grade an Dysregulation mit einem längeren Fernsehkonsum bei kleinen Kindern, wobei Beruhigungs- und Aufmerksamkeitsprobleme am häufigsten betroffen sind. Diese Ergebnisse ergänzen frühere Studien, die gezeigt haben, dass sogar Hintergrundfernsehen negative Auswirkungen auf das Spiel und die Interaktion zwischen Eltern und Kindern haben kann, indem es Aufmerksamkeit und aktive Beteiligung bei Kindern und Eltern verringert.
Daher scheinen potenzielle Vorteile der Fernsehstimulation als neue Unterhaltungs- und Ablenkungsquelle für kleine Kinder kurzlebig zu sein, mit wahrscheinlich nachteiligen langfristigen Auswirkungen. Einige Vorteile von Bildungsprogrammen wurden in verschiedenen Kulturen berichtet, treten jedoch in der Regel später in der Kindheit auf, nachdem Kinder grundlegende Selbstregulationsfähigkeiten entwickelt haben.
Zusammenfassend zeigt die Forschung, dass eine Begrenzung des Fernsehkonsums bestimmte Aspekte der Dysregulation begrenzen könnte. Allerdings kann sich der Fernsehkonsum je nach einer Vielzahl von Umweltfaktoren, einschließlich kultureller und familiärer Bräuche, unterschiedlich auf Kinder auswirken. Wenn Familien oder kleinere Kinder fernsehen, können durch kulturelle Unterschiede einige Schutzmechanismen entstehen, zum Beispiel die Möglichkeit, dass einige Kulturen das Familienengagement in die Fernsehnutzung einbeziehen.
Zusammenfassend ist es wichtig, nicht nur das Alter zu berücksichtigen, in dem Kinder mit Medieninhalten in Kontakt kommen, sondern auch wie sie diese kontextualisieren und wie sie in ihren Alltag passen. Fernsehprogramme könnten entwickelt werden, um Kleinkindern eine entwicklungsbezogen angemessenere Stimulation zu bieten, insbesondere wenn sie mit elterlicher Beteiligung und Anwendung auf reale Erfahrungen kombiniert werden.
Daher ist es wichtig, die Menge und Art der von Kindern konsumierten Programme sowie ihre Art der Fernsehnutzung zu überwachen. Es ist auch wichtig, dass Eltern und Betreuer mit ihren Kindern über Fernsehprogramme sprechen und ihnen beibringen, wie sie im täglichen Leben Bedeutung haben können.